Liebe Leserin, lieber Leser,
vielleicht erwischt Sie diese Mail noch im Urlaub. Ich gebe es zu: Die Urlaubszeit ist nervig für mich. Ich muss mir nämlich immer ein Thema überlegen, das möglichst neu und innovativ das immer gleiche Sujet darstellt: Wie fahren die Deutschen in den Urlaub? Teuer, Masse, Flüge blöd - alles erzählt.
Dieses Jahr habe ich mich an einem anderen Blickwinkel versucht. Wie fahren eigentlich jene in den Urlaub, die alles sehen könnten, wenn sie nur wollen? Wer Geld genug hat, kann ins All fliegen, wie James Bond über die Themse brettern, mit dem Eisbrecher fahren, im Kriegsgebiet urlauben oder ein Abendbrot im Himmel buchen. Hauptsache, ungewöhnlich. Und wirklich exklusiv.
Man zeigt gern, wo man war. Im Capella Singapore sind ein Tisch und ein paar Sessel das wahre Objekt der Begierde, auf dem sich hier Besucher in Pose setzen. Es sind jene Sessel, auf denen sich der damalige US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas »oberster Führer« Kim Jong-un kamerawirksam die Hand reichten.
Meinen Report gibt es hier zum Lesen oder hier in der Audioversion.
»In Deutschland macht Reichtum keinen Spaß«
Das Treffen findet in seiner Wohnung mit Blick auf die Hamburger Außenalster statt. Architekt Hadi Teherani serviert Tee, den er mit einer kleinen getrockneten Rose garniert. Zuvor spazierte er um die Hamburger Außenalster, wie jeden Morgen. In seinen Thesen im Interview mit Markus Brauck und mir wird Teherani deutlich. In Deutschland bekomme man bei Luxuobjekten nicht viel für sein Geld. Vielerorts werde einfach nur wertvolle Fläche verkauft. »Wir zahlen in Deutschland zwar Luxuspreise, aber es ist kein Luxus drin.« Das Interview polarisierte - uns erreichten zahlreiche Rückmeldungen von Lesern. Hier können Sie es nachlesen und hier sich vorlesen lassen.
Hadi Teherani (Mitte), Markus Brauck (links), Martin U. Müller in Teheranis Wohnung in Hamburg Harvestehude. Foto: Philipp Schmidt
Auf dem Heimweg vom Uber-Fahrer vergewaltigt
Die Tochter soll nach einer Party sicher zu Hause ankommen, die Eltern raten ihr, ein Uber zu rufen. Doch der Fahrer vergewaltigt die junge Frau. Juristischer Streit um eine hohe Entschädigung beginnt. Doch der Konzern wehrt sich. Ich habe zum Fall ausführlich recherchiert. Hier zum Lesen und hier als Audio.
Standort-Nachteil Deutschland
Holger Loclair ist größter Familienunternehmer in Ostdeutschland und Milliardär mit einer Vorliebe für klare Ansagen. Er sagt: »Es ist ein gewaltiger Standortnachteil, in Deutschland aktiv zu sein.« Loclair, promovierter Chemiker, übernahm nach der Wende die Überreste eines DDR-volkseigenen Betriebs und formte sie zu einem Giganten für Klebefolien.
Holger Loclair: »Menschen, die gern arbeiten und vollen Einsatz zeigen, werden hierzulande zunehmend als sonderbar dargestellt.«
Die politisch getriebene Diskussion über weiter sinkende Arbeitszeiten und eine Viertagewoche kommt für ihn zur Unzeit. »Völlig absurd ist, dass ausgerechnet dieser Punkt immer wieder auf der politischen Agenda in Deutschland auftaucht«, nämlich auf der eines Standortes »der im internationalen Vergleich abstürzt«, sagt er. »Wie kann man so etwas ernsthaft jetzt vorschlagen?« Die Diskussion sei »standortschädigend und meilenweit vom industriellen Mittelstand entfernt«. Die Debatte über die Viertagewoche hält Loclair für einen Ausdruck politischer Ratlosigkeit. »Wenn man schaut, wofür Menschen auf die Straße gehen, dann sind das andere Anliegen.« Er selbst, mittlerweile 73 Jahre alt, kommt an sieben Tage der Woche in die Firma. Sonntags mache er einen »großen Rundgang«, wie er es nennt; der dauere dreieinhalb Stunden und umfasse die gesamte Produktion. Für ihn steckt in der Debatte über die Viertagewoche eine grundsätzlich problematische Einstellung, die »Arbeit alles in allem als etwas Negatives begreift«. Vier Tage reichen, oder? Oder hier zum Anhören: Brauchen wir die Vier-Tage-Woche?
Ich wünsche eine schöne Sommerzeit,
Ihr Martin U. Müller
PS: Tagesaktuelle Hinweise auf Texte gibt es auch in einem eigenen WhatsApp-Kanal.
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