Liebe Leserin, lieber Leser,
kurz vor der Verkündung machten es die Moderatoren spannend. Sie setzten mehrmals an, um den Inhalt der umschlagverhüllten Karte vorzulesen. Und am Ende war die Freude bei uns riesig: wir haben den STERN Preis (zuvor Henri-Nannen-Preis) gewonnen in der Kategorie »Geschichte des Jahres« mit unserer Recherche »Warum Julian Reichelt gehen musste«.
Isabell Hülsen, Anton Rainer, Martin U. Müller, Juliane Löffler, Markus Engert (es fehlen: Daniel Drepper, Alexander Kühn, Katrin Langhans) Foto: Georg Wendt
Die Hintergründe des Recherche-Komplexes haben wir einst in der SPIEGEL-Hausmitteilung so beschrieben:
“Im Februar erfuhr Redakteur Martin U. Müller, dass das Medienhaus Axel Springer intern gegen den damaligen »Bild«-Chefredakteur Julian Reichelt ermittelte. Es ging um Affären mit jungen Mitarbeiterinnen und möglichen Machtmissbrauch. Gemeinsam mit Isabell Hülsen, Alexander Kühn und Anton Rainer ging Müller den Hinweisen nach, im März machten sie das Compliance-Verfahren öffentlich, das für Reichelt zunächst weitgehend folgenlos blieb. Das SPIEGEL-Team recherchierte weiter, parallel dazu auch das Investigativ-Team des Ippen-Verlags, das seine Recherche nach Einspruch von Verleger Dirk Ippen allerdings nicht veröffentlichen durfte. Gemeinsam zeichnet das Team in der Titelgeschichte die Affäre nach (…).”
Lufthansa machte zuletzt immer wieder mit Qualitätsproblemen auf sich aufmerksam. Das ist offenbar auch der britischen Firma Skytrax nicht verborgen geblieben, die Europas größte Fluglinie gerade von fünf auf vier Sterne abwertete. Ich habe die aktuellen Geschehnisse beschrieben – was zu einer riesigen Resonanz führte. Nicht nur, dass der Text auf einem Spitzenplatz bei den Leserzugriffen stand. Mich erreichten unzählige Mails mit Schilderungen von Passagieren, der Text wurde breit in Vielfliegerforen und Blogs diskutiert. Und auch ins Fernsehen hat er es geschafft. Carolin Kebekus macht sich nur ein bisschen darüber lustig. Hier gibt es das Video dazu.
Pünktlich zum Start des Neun-Euro-Tickets haben wir uns dem System Bahn in all seinen chaotischen Ausprägungen gewidmet. Ich habe bei der Recherche viel gelernt, vor allem zum ebenfalls desolaten Güterverkehr, aber auch dazu, dass es bald mehr statt weniger Inlandsflüge geben könnte.
Wie steht es eigentlich um das Gesundheitssystem in der Ukraine? Den wohl besten Überblick über die Lage im ukrainischen Gesundheitswesen hat Gesundheitsminister Wiktor Ljaschko und mit ihm habe ich gesprochen. Ljaschko, selbst Arzt, ist für das Interview mit dem SPIEGEL über das Konferenzsystem Webex aus Kiew zugeschaltet. Er ist bei seinen öffentlichen Auftritten ähnlich wie Präsident Wolodymyr Selenskyj gekleidet, trägt einen olivgrünen Pullover, dessen Reißverschluss geöffnet ist. Im Hintergrund ist eine ukrainische Fahne zu sehen. Er hat wenig geschlafen. Mit in der Leitung ist aus Kiel zugeschaltet Jens Scholz, Bruder von Bundeskanzler Olaf Scholz Er ist Chef des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH). Sein Klinikum kooperiert bereits seit 2014 mit der Ukraine, liefert Hilfsgüter und spendet im Millionenbereich. Gerade erreichten die Ukraine ausgemusterte Beatmungsgeräte aus Beständen des Klinikums. Aktuell befinden sich 60 Pflegekräfte aus der Ukraine in der Betreuung des UKSH und werden auf ihre Anerkennungsprüfung vorbereitet. Das Klinikum versorgt zudem 574 ukrainische Patienten. Ljaschko antwortet auf Ukrainisch, das Interview wird von einem Arzt des UKSH gedolmetscht, der beide Sprachen fließend spricht.
Immer mal wieder bekomme ich die Frage gestellt, wie ich eigentlich auf meine Themen komme. Das kann manchmal auch bei einem privaten Sonntagsbesuch passieren, wenn man zu einem Brunch eingeladen ist – wie am Ostersonntag diesen Jahres in Bremen. Im Stadtteil Oberneuland sah ich an einer Straßenlaterne dieses Schild hängen:
Ich hatte nie etwas von »künstlicher DNA« gehört und beschloss, nachzuforschen. Verwendet jemand den guten Namen der Bremer Polizei missbräuchlich? Eine Nachfrage ergab: Nein, die Polizei der Hansestadt kennt das Projekt zu gut und unterstützt es tatsächlich. Als ein Kollege nach einem kleinen Beitrag für unsere Beilage SPIEGEL GELD fragte, kam mir die Sache mit der künstlichen DNA sofort wieder in den Sinn.
Auch ein Brunch kann also zu einer Geschichte führen.
Ich wünsche tolle Sommertage,
Martin U. Müller
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MUM NEWS 02/2022
Starker Beitrag über den Reichelt; herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung! Und wie cool, dass dein Lufthansa-Stück bei der Kebekus landete... 😂 Herrlich! Sonnige Grüße aus Balkonien, Christoph